Sabine Bitter   |   Helmut Weber
SUPER_MARKT | SUPER_BLOCKS
2003
Marktstände   |   Hauptplatz


Arbeitstitel: SUPER_MARKT | SUPER_BLOCKS
Gestaltung Hauptplatz | Geladener künstlerischer Wettbewerb für ein Kunstwerk am Grazer Hauptplatz

Die neue Gestaltung des Grazer Hauptplatzes markiert prägnant die verschiedenen Funktionen, die der Hauptplatz als Verkehrszentrum, Markt und Sitz der Stadtregierung zu leisten hatte, bzw. weiterhin für Graz zu leisten hat und setzt die Neuordnung auch formal pointiert in Szene.
Die öffentliche Nahverkehrsinfrastruktur mit adaptierten High-Tech Haltestellen und Kiosken kontrastieren das stadtpolitische Repräsentationsensemble von Rathaus, leergeräumter Platzfläche und Erzherzog Johann Denkmal. Die High-Tech Haltestellen erzeugen glasklare Transparenz, in deren Glasflächen sich die historische Kulisse der Hauptplatz-Architekturen widerspiegelt.
Diese architektonische „Küstenlinie“ von mittelalterlichen und barocken Bauten bildet den Rand des unregelmässigen und vor der Neugestaltung auch ungeordneten (chaotischen) Platzes und sind auch der dominante optische Hintergrund des Marktbereiches mit seinen neuentwickelten Marktständen.
Die Aussenflächen der 12-15 Marktstände sind die vorgegebenen Bildträger und Gegenstand der künstlerischen Gestaltung.
Gestaltung und Funktionalität der Objekte folgen denselben strukturellen Logiken und Diktionen, die auch bei der Anordnung der Marktstände am Platz zB durch die Positionierung der Anschlüsse regulierend und ordnend bei der Festlegung von Grundrissen zur Geltung kommen: Diktionen und Programme, die im wesentlichen von Planungsparametern der Moderne bestimmt sind.

Unser Konzept für “ein Kunstwerk” für den Grazer Haupttplatz, der in bemerkenswerter Weise geschichtliche Homogenität ausstrahlt – allerdings unter Auslassung der Moderne – knüpft an diese für die Neugestaltung des Hauptplatzes massgeblichen modernistischen Regulative an.

Das Fehlen (die Abwesenheit) modernistischer Architektur im Hauptplatzensemble wird an den Marktständen, bzw. mittels der Marktstände symbolisch „nachgeholt“. Speziell an der Nachtversion (geschlossene Marktstände) wird Moderne als Miniatur-Muster-Architektur am Platz präsent.
Inspiriert von klassischen Beispielen modernistischer sozialer Wohn- und Siedlungsprojekte abstrahieren und transformieren wir deren markante Fassadenabwicklungen zu Flächen und Mustern, die an die Außenflächen der Marktstände appliziert werden.
Oder, anders gesagt:
Wohnblocks der Peripherie werden als Modelle ins Stadtzentrum gerückt.

Nachtseite: bei geschlossenem Zustand produzieren die Marktstände zwar ironisch, aber doch faktisch architektonische Bedeutung.
Das einzelne Muster hat gesonderte Bedeutung -, da es sich auf spezielle Architekturen bezieht -, erst die Anordnung der Marktstände zu Reihen und Blocks, die damit entstehenden Perspektiven erweitern den Bedeutungs- und Bezugsrahmen über das Objekt hinaus – Architektur als konstitutives Element von Stadt und sozialem Raum.

Tagseite: zu Geschäftszeiten hält der Markt für die Besucher / Bewohner das übliche Waren- und Konsumtionsangebot bereit. Erst mit dem Blick von oben werden architektonische Referenzen sichtbar: der Blick fällt auf Felder und optische Muster, die auf Architektur, Life-Style, Retro-chic aber auch architektonische Konglomerate hindeuten.
Durch die aufgeklappten Fassadenmuster und den Maßstab der Fassaden wird ein modernistischer „Blick von oben“ thematisiert, den man hauptsächlich durch Luftaufnahmen von Stadtplanungsgebiten und im Raster angeordnete Wohnbauten kennt.


Mit diesem Konzept gewinnen Sabine Bitter und Helmut Weber im März 2003 den von der Stadt Graz ausgeschriebenen, geladenen künstlerischen Wettbewerb anlässlich der architektonischen Neugestaltung des Grazer Hauptplatzes. In einer Pressekonferenz wird das „Kunst und Bau“-Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt.


Begründung der Jury

Nach einer ausführlichen und lebhaften Diskussion der Jury wurde das Projekt SUPER_MARKT | SUPER_BLOCK des Künstlerduos Sabine Bitter & Helmut Weber prämiert.
Das Siegerprojekt überzeugte vor allem durch seinen kritischen und zugleich humorvollen Umgang mit den Themen Urbanität und Modernismus. Die Fassadengestaltungen berühmter internationaler Architekten des 20. Jahrhunderts wie Le Corbusier oder Oskar Niemeyer, deren Bauten zu den wichtigsten Beispielen der internationalen Moderne gehören, dienen als Vorbilder für die Oberflächengestaltung der neuen Marktstände für den Grazer Hauptplatz. Die Konfrontation der durch die Ernennung zum Weltkulturerbe berühmt gewordenen Grazer Altstadt mit einem Ensemble von Modellen abstrahierter, serieller Fassadenmuster setzt eine Diskussion über den geschichtlichen Kontext von Stadtplanung, öffentlichem Raum, sozialen Utopien und deren Kritik frei. Es ist auch vorgesehen, Grazer Architektur dieser Zeit zu integrieren. Das Projekt beeindruckt durch die Verknüpfung von skulpturalen, körperhaften und bildhaften Aspekten, wie sie auch zum Beispiel in zeitgenössischen Arbeiten von Sarah Morris, Eberhard Havekost, Edwin Zwakman, Julian Opie oder Isa Genzken angesprochen werden. Der Verzicht auf Farbe unterstreicht die strukturelle grafische Wirkung, und verweist auf das bisherige fotografische Werk der beiden Künstler. In diesem bilden formale und urbane Recherchen den Ausgangspunkt für ein visuelles Sampling von sozialen und architektonischen Elementen. Dimensionssprung und Mobilität werden akzentuiert und verleihen den Bauten einen spielerischen Charakter. Graz wird nächtens zur „Großstadt“.


Nach Interventionen des Vorsitzenden des Beirats „Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Graz“ und Intendanten von „Graz 2003“, Wolfgang Lorenz, wird die Entscheidung der Jury außer Kraft gesetzt und der ursprünglich zweitgereihte Vorschlag von Sonja Gangl „t + 4e (think positive forever)“ von der Stadt Graz zur Realisierung bestimmt.