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Martin Osterider
Viewfinder
1997
quer durch die Stadt
Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum / steirischer herbst : 2000-3 Art Space plus Interface

Foto-Installation in Bussen und Straßenbahnen an den Haltegriffen

Mit dem Bildraum-Transfer, den Martin Osterider im öffentlichen Raum vorgenommen hat, lotete er neben der Struktur das visuelle Erscheinungsbild unterschiedlicher Urbanitäten, die jederzeit durch die ständig weiter zunehmende Mobilität physisch erlebbar sind, aus. Reisefotos, vorwiegend aus Mexiko, wurden in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt Graz jeweils in Augenhöhe der Fahrgäste präsentiert: entweder - für die Stehenden - auf den Stangen, an denen die Haltegriffe montiert sind oder - für die Sitzenden - auf den Abschlussleisten der Sitzlehnen. An die Stelle von den in Autobussen und Straßenbahnen üblichen Werbebotschaften traten Stadtansichten, vom Auto oder Bus aus aufgenommen. Durch die Konzentration auf Motive, durch die Windschutz- oder Seitenscheibe fotografiert, näherten sich die Aufnahmen dem ausschnitthaften Sehen der Fahrgäste an. Diese räumliche Positionierung spiegelte ein grundsätzlich zwar fremdes, von der Erlebnisweise aber auch wieder vertrautes Bild der Welt ein. Die eingesetzte Methode aktiviert das gewohnte Umfeld der Bildbotschaften im Transportmittel und stellt den Fokus auf eine Ambivalenz der Wahrnehmung von Raum und Zeit scharf. In der realen Fortbewegung konnte der Betrachter statische Bilder, die durch eine Reisebewegung zustande gekommen waren, erleben. Aus einer anderen geografischen und kulturellen Situation stammend waren diese zeitlich „eingefrorenen“ Bilder mit den bewegten Ausschnitten aus dem hier und jetzt tatsächlich vorüberziehenden vertrauten Umraum vergleichbar. Da Osterider nicht die beliebten und durch persönliches, vor allem aber mediales Erleben bekannten View Points als Abbildung in den Mittelpunkt rückt, sondern sich bei der Herstellung seiner Bilder ebenfalls auf den alltäglich genutzten Hauptverkehrsstraßen bewegt hatte, wurde das Dispositiv einer ästhetisch ausgerichteten „Vergleichsmenge“ ins Zentrum gerückt. Von dieser so konstituierten gemeinsamen Basis zwischen eingeschweißten, den praktikablen Anforderungen in diesem Segment des öffentlichen Gebrauchs angepassten Foto-Bildern, und den durch die Seiten- oder Windschutzscheibe gerahmten laufenden Bildern des eben befahrenen Raumes aus, stellten sich die Fragen nach der Nivellierung bzw. der Differenz von bildlich erfahrbaren urbanen Oberflächen. Welche kulturellen Merkmale, welche farbigen Dominanzen, welche Gestalt der städtischen Möblierung etc. sind in diese weit auseinander liegenden Oberflächen signifikant eingeschrieben? Mit einer unprätentiösen Anordnung, die aber unmittelbar auf den Rezipienten zugeschnitten war, konnte ein Bilddialog in Gang gesetzt werden, der die Rückkoppelung auf die tägliche Mobilität und deren meist verwischten Erlebnisstrukturen zum Inhalt hatte.

WF (CD-ROM 2000-3)