Als sichtbares Zeichen globaler Informationsstrukturen entwickelte die holländische Architekten/Künstler/Gruppe ATTILA das Projekt paraSITE. Es handelt sich dabei um eine aufblasbare Skulptur mit einem ans Internet angeschlossenen Gehirn. In seiner Grundkonzeption verweist paraSITE auf den lokalen wie auf den globalen Raum. Auf dieser Seite Internet und World Wide Web, auf jener die Standorte seiner Präsenz (in unserem Fall Rotterdam, Helsinki, Dunajuvaros/Ungarn, Graz, Den Haag). Die Traglufthalle funktioniert als offenes Studio für Künstler, Komponisten und Net-Designer. Die handelnden Personen transformieren die von paraSITE über das Netz und seine „eigenen Sinnesorgane“ absorbierten Daten. Lokale Daten werden in das vorentwickelte Programm gespeichert und reichern dieses an. Damit wird "paraSITE immer intelligenter und auch immer schöner" (ATTILA). Diese Anreicherung kann als Metapher für die Lernfähigkeit der Datenmaschinen gelten. Man könnte fast davon sprechen, dass paraSITE eine objekthafte und räumliche Inkarnation des unendlichen, in seiner Form und Dimension nicht greifbaren weltweiten Datenraums ist: das Gestalt gewordene Interface, an dem die Daten- und Kommunikationsleitungen zusammenlaufen und einen neuen Netzwerkknoten sichtbar im urbanen Raum signalisieren. Das, was über Glasfaserkabeln rund um die Welt läuft, wurde - bedingt - ortsfest gemacht, das transitorische Element der Nachrichtenübermittlung dingfest. Die Frage, die ein Beitrag wie paraSITE aufwirft, drängt sich rasch auf: Kann das „Globale Dorf“ (McLuhan) lokalisiert werden? Ist nicht gerade die Ortlosigkeit bzw. das Ersetzen des realen Ortes durch den überall gegenwärtigen virtuellen die Stadtstruktur des medialen Zeitalters? In Graz wurde dieses Projekt, das sich für acht Tage an „2000 minus 3“ andockte, nicht zuletzt aus diesem Grund verändert und erweitert. Gemeinsam mit dem Institut für Städtebau an der TU und „Splitterwerk“ organisiert und betreut, sollte der vervielfachte Ortswechsel die entscheidende Signifikante bilden. Für jeweils 24 Stunden tauchte die „silberne Zigarre“ an einem anderen Ort auf: Vom Hauptbahnhof über die Technische Universität, die Universität, den Industriepark Nord, das Künstlerhaus, den Augarten, den Volksgarten zum Hauptbahnhof zurück. So wurde ein Netz über Graz gespannt. Ein Realzeit-Video begleitete die Bewegungen im Informationszentrum und an der Übergangszone vom Außen zum Innen. paraSITE wurde als materialisierte Schnittstelle und Präsentationsort interpretiert und diente in Absprache mit der Projektgruppe ATTILA entgegen der ursprünglichen Bestimmung nicht als reales Labor. Die Produktionsstätten waren ausgelagert: z.B. in das Institut für elektronische Musik der Musikhochschule, in das Computerzentrum der Technischen Universität, aber auch in die privaten Studios der TeilnehmerInnen. Mit dieser Entscheidung sollte die lokale Bedeutung und Struktur von - in diesem Fall künstlerischen - Datenressourcen in Referenz zum „Globalen Dorf“ evident werden. paraSITE bot die Gelegenheit, zu demonstrieren, dass Informationsqualitäten zwar jederzeit verfügbar und unmittelbar nach ihrem Erscheinen kommunizierbar sind, dass sie aber gleichzeitig und diametral zu ihrer Übertragungsgeschwindigkeit zeitlich in einer verlangsamten Bewegung, strukturell geistig in einer ortsspezifischen Gestalt ausgebildet werden. Dafür eignete sich die Tragluftkonstruktion in kohärenter Weise als Symbol: inmitten der Öffentlichkeit den Denkraum markierend, vorübergehend ortsfest, aber nicht mit einbetonierten Fundamenten versehen, begehbar, aber auch von den immer gleich laufenden Strömen des alltäglichen Verkehrs abgegrenzt. Kein öffentlicher Raum, den man passieren muss, aber permanent im Blickfeld. Möglicherweise die Alternative zur Auflösung des White Cube im nächsten Jahrtausend.
WF (CD-ROM 2000-3)