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Richard Kriesche
Kunsttransfer
1979
Seiden- & Wollkönig   |   Herrengasse 7-9
steirischer herbst : Künstlerschaufenster

Installation

Copyright: steirischer herbst

Als Künstler steht man in dem Ruf ‚frei’ zu sein: Frei sich auszudrücken, frei seine eigene Stimme zu finden. Zwar meist nicht frei genug, um sich völlig über systemimmanente Zwänge hinwegzusetzen, aber doch immer hart an der Grenze zu dem was noch erlaubt ist. Der Künstler befindet sich, so scheint es, auf einer Metaebene, die gesellschaftliche Muster in ihrer Struktur erkennt und über sie reflektiert.
Von dieser Metaebene aus leiht Richard Kriesche seine Freiheit in der Gestaltung des Schaufensters dem Schaufensterdekorateur des Stoffgeschäftes Seiden- und Wollkönig. Im Gespräch mit dem Dekorateur hat dieser Kriesche von seiner Gebundenheit in der Auslagengestaltung an Vorgaben und Vorstellungen des Chefs und seiner Sehnsucht einmal seine eigenen Vorstellungen verwirklichen zu können berichtet. Kriesche macht diesen Wunsch zu seinem Kunstwerk. Er lässt dem Dekorateur freie Hand bei der Gestaltung des Schaufensters. Das Ergebnis ist verblüffend unspektakulär. Die Gestaltung fällt in keinster Weise aus der üblichen Schaufensterdekorationen heraus. Richard Kriesche sieht darin das Sichtbar Werden eines Systems, das sich durch die Menschen ausdrückt.[1] Der Dekorateur hat die ihm von der Chefetage gestellten Vorgaben schon so verinnerlicht, dass er sie befolgt, selbst wenn er es nicht müsste, im Gegenteil, sogar dazu aufgefordert wird, seine eigenen Ideen zu verwirklichen. Dadurch fällt das Schaufenster nicht – wie die anderen Künstlerschaufensterprojekte, die das Marktsystem Schaufenster durch ein Kunstsystem ersetzen - aus dem Standard der Auslagengestaltung heraus. Da die Arbeit subversiv in das System Schaufensterauslage eingreift, legt sie keinen Wert darauf durch auffällige Installationen die Vorgaben der Alltagswahrnehmung zu durchbrechen. Erst durch einen Text im Schaufenster wird dem (aufmerksamen) Passanten bewusst, was sich hinter der Auslagenfassade abspielt.

[1] Gespräch mit Richard Kriesche, 10. Mai 2004

EM