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Waltraud Cooper
GEISTESBLITZE (Chronik G.A.M.A.)
1991
Universität, Institut für Anglistik, Erschließungshalle   |   Heinrichstraße 36
Schulen/Universitäten/Bildungshäuser

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Computergesteuerte Neon- Licht- und Musikinstallation

Copyright: Wolfram Orthacker, HTL-Ortweinschule Graz

Waltraud Cooper gewinnt 1989 den „Kunst und Bau“-Wettbewerb für das neue Institutsgebäude der Fachrichtungen Geographie, Anglistik, Mathematik und Amerikanistik an der Karl-Franzens-Universität mit einer computergesteuerten Licht-und Klanginstallation, die eine enge formale und ihnhaltliche Verbindung mit der Architektur eingeht.

Die „Chronik G.A.M.A.“ ist der zentralen Freitreppe im überdachten Innenhof eingeschrieben: In die Stufen und in den Boden der Treppen-Ausläufer sind blaue und grüne Neonröhren in zwei gegenläufigen diagonalen Ausrichtungen integriert, die, in einem festgelegten Rhythmus aufleuchtend („Geistesblitze“), digital codierte Textbotschaften transportieren.

Übersetzt in das binäre System des ASCII-Codes sind die Initialen der Architekten (Wolfgang Kapfhammer, Johannes Wegan, Gert Koßdorf, Adolf Kelz) in der Abfolge der Farben enthalten, das titelgebende Akronym der Universitätsinstitute in der Sequenz der Diagonalen. Die Lichtsteuerung basiert auf einer Chronik der Universität, die kritisch zur NS-Vergangenheit der Hochschule Stellung bezieht. [1]
In der an den Computercode der Lichtimpulse angekoppelten Klanginstallation (Musik: Werner Jauk) wird der Chronik-Text akustisch umgesetzt [2]

„Chronik G.A.M.A.“ ist Teil von Coopers Werkserie „DIGITALE POESIE“, „deren vorrangiges Anliegen es ist, verschiedene künstlerische Ausdruckformen (visuelle-sprachliche-musikalische) über Elektronik und Computer direkt miteinander zu verbinden, häufig durch die Interaktion der Besucher.“ [3] Die Aktivierung der Grazer Installation erfolgt automatisch viermal täglich, jeweils für die Dauer von 30 Minuten. [4]

Derzeit sind elementare Aspekte der künstlerischen Arbeit jedoch nicht nachvollziehbar, da annähernd zwei Drittel der Leuchtstoffröhren defekt sind, die Lichtschaltung statisch und die Klanginstallation außer Betrieb ist – sie wurde nach Beschwerden aus den Instituten zuerst in der Lautstärke bis an die Grenze des Hörbaren reduziert und schließlich gänzlich deaktiviert.
Der Farb-Code erscheint also fragmentiert und die grundlegende Werkebene der in den „Geistesblitzen“ und der Musik codierten Universitätschronik ist nicht mehr vorhanden.

BK


[1] Der ASCII-Code weist jedem Buchstaben eine Folge von 0 und 1 zu (z.B. A= 00001, B=00010, C=00011 etc.). Mit Hilfe dieses Prinzips ist es möglich, jedes Wort und jeden Text durch die Folge von 0 und 1 auszudrücken. In Coopers Installation existieren parallel drei Verschlüsselungs-Ebenen: 1. Im Farb-Code der Leuchtstoffröhren stehen die blauen für 0, die grünen für 1 (Architekten-Initialen) 2. Eine Richtung der schräg positionierten Lichtkörper steht für 0, die andere für 1 („G.A.M.A.“). 3. Für die Steuerung der Licht-Impulse wurde der Chronik-Text in eine „endlose“ Folge von 0 und 1 übersetzt, wobei jede 0 einer Zeiteinheit „aus“, jede 1 einer Zeitheinheit „ein“ entspricht.
[2] Bei der akustischen Umsetzung des Textes wurde jedes Zeichen vom Computer als ein 8 bit breites Byte interpretiert, dessen Zustand (Form) von 8 Synthezizermodulen zu hörbaren Klängen transformiert wird. Bei serieller Abtastung des Textes ergibt sich so ein 8-stimmiges polyphones Klanggewebe. Der Dynamikverlauf und teilweise das Tempo der Tonabfolge sind dabei Umsetzungen der Satzzeichen, die eine Komponente des emotionalen Ausdrucks des (gesprochenen) Textes klanglich zu übertragen versuchen. Vgl. Seminararbeit von Diana Reiners, Kunst im öffentlichen Raum, KF-Uni Graz 2001.
[3] Waltraut Cooper, LOTTO-TOTO, in: Galerie im Stifterhaus/Landesgalerie ÖÖ/Waltraut Cooper (Hg.), Waltraut Cooper. Eine Werkübersicht, Linz 1998, S. 151.
[4] Einschaltzeiten der Lichtinstallation: Mo bis Fr, 7.45, 11.45, 16.45, 17.45. Jeweils 15 Minuten später soll die Toninstallation dazugeschaltet werden.



Helmut Konrad: Chronik der Karl-Franzens-Universität

„Die Karl-Franzens-Universität Graz ist, wie ihr Name zum Ausdruck bringt, eine Hohe Schule, die auf zwei Gründerväter zurückblicken kann. 1585 ließ Erzherzog Karl im Zuge der gegenreformatischen Bemühungen eine den Jesuiten übertragene Universität errichten, die aber 2 Jahrhunderte später unter Kaiser Joseph II. in ein Lyceum zurückgestuft wurde. Nach 45 Jahren Durststrecke wurde unter Kaiser Franz I. die Universität wiederhergestellt. Die sechs Fakultäten unserer Universität blicken auf ganz unterschiedliche Traditionen zurück: 1585 bestanden eine theologische Fakultät und eine Artistenfakultät, die man als Vorläufer der Philosophischen Fakultät bezeichnen kann. 1778 stießen die Juristen dazu, 1863 die Mediziner. Erst das Universitätsorganisationsgesetz von 1975 brachte schließlich durch die Teilung der philosophioschen Fakultät in Natur- und Geisteswissenschaften und der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakuktät in Rechts- bzw. Sozial- und Wirtschaftswissenschaften die heutige Gliederung der Universität. Die Zeitspanne vom ausgehenden 19. Jh. bis zur Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich kann man als hohe Zeit unserer Universitätsgeschichte interpretieren. Die Eröffnung des Haupthauses im Jahr 1895 der neuen Universität mag dafür als Symbol gelten. Nicht weniger als 4 Nobelpreisträger lehrten in den kurzen Jahren der Zwischenkriegszeit hier in Graz. Fritz Pregel, der 1923 den Nobelpreis für Chemie [bekam], arbeitet bis zu seinem Tod im Jahre 1930 hier. Otto Loewi, der 1936 den Nobelpreis für Physiologie der Medizin erhielt, lehrte bis zu seiner Vertreibung nach dem sogenannten „Anschluß“ in Graz. Victor Franz Hess, ein gebürtiger Steirer, erhielt 1936 den Nobelpreis für Physik und teilte 1938 das Schicksal Loewis. So erging es auch Erwin Schrödinger, der 1933 den Nobelpreis für Physik erhalten und 1937 einen Ruf an die Karl-Franzens-Universität angenommen hatte.
Daraus wird deutlich, in welchem Ausmaß auf die Weltgeltung der Universität der Absturz durch die nationalsozialistische Machtübernahme erfolgte. Diese war allerdings kein nur von außen kommendes Ereignis. Die Universität selbst war in den Jahren zuvor Nährboden für aggressive, antisemitische und antidemokratische Stömungen, die auch Gewaltmethoden einsetzten, um ihrer Ideologie zum Durchbruch zu verhelfen. Die Vertreibung der prominentesten Wissenschaftler aus sogenannten „rassischen“ Gründen, die Verbannung der theologischen Fakultät und der offizielle Einzug nationalsozialistischer Vorgaben für die Universität erfolgt durchaus mit der Zustimmung beachtlicher Teile der Universitätsangehörigen. 1945 mußte in geistiger und materieller Hinsicht neu begonnen werden. Die Jahre des Wiederaufbaus waren Jahre gewaltiger Anstrengungen. Die materiellen Schäden wurden dennoch zügig beseitigt, der geistige Eindruck konnte seither nicht mehr wirklich wettgemacht werden.
Dennoch schaffte die Karl-Franzens-Unviersität den Durchbruch zur Massenuniversität, zur größten österreichischen Universität außerhalb der Bundeshauptstadt. Das internationale Ansehen ist wieder gewachsen, die Partnerschaften und Fachkontakte umspannen heute die Welt. Wurde vor einem Jahrhundert die sogenannte „Neue Universität“ für etwa 4000 Studenten konzipiert, so studiert heute die siebenfache Anzahl. Neubauten und zahlreiche Anmietungen haben heute die Universität über den ganzen Bereich der inneren Stadt verstreut und die Tatsache, daß fast jeder fünfte Grazer mit der Universität verbunden ist, gibt dieser Stadt ein spezifisches Gepräge. Auf die Zweckarchitektur der sechziger Jahre folgen nunmehr als weitere Stufe, architektonisch anspruchsvollere Lösungen, denen die Einheit von Form und Inhalt ein Anliegen ist. Die Institute für Geographie, Anglistik und Mathematik können hier dieses Haus, das eine echte Bereicherung des Campus darstellt, beziehen. Es möge dazu dienen, den lehrenden und Studierenden Heimstätte zu sein, und [der] Universität den Weg im nächsten Jahrtausend zu erleichtern.“


Helmut Konrad ist von 1993 bis 1997 Rektor der Karl-Franzens-Universität; Chronik zit. in: Christina Hellmerich, Waltraut Cooper, Dipl. phil., Graz 1999, Anhang, S. 133.



Literatur:
Christina Hellmerich, Waltraut Cooper. Dipl.phil., Graz 1999
Werner Fenz u.a. (Hg.), GRAZ-art MAP. Kunst im öffentlichen Raum, Pero Verlag: Graz 1995
Galerie im Stifterhaus/Landesgalerie ÖÖ/Waltraut Cooper (Hg.), Waltraut Cooper. Eine Werkübersicht, Linz 1998
Künstlerhaus/Gesellschaft bildender Künstler Österreichs (Hg.), wimmer cooper gerngross. liquid künstlerhaus, Wien 2001

Link: Link: www.waltrautcooper.com

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