Der öffentliche Raum als Kunst-Ort
Eine veränderte Sprache der Kunst
Sprachbarriere Kunst?
Das unauffällige Kunstwerk
"Öffentliche Kunst"
Anspruch auf Umsetzung
Umsetzung des Anspruchs
Ein erster Blick auf den Kunst-Ort Graz

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Weber Fassadengestaltung 1954

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Steinbach Untitled (horse) 2003

Im öffentlichen Raum nimmt die Definition, was Kunst denn sei und was sie leisten könne, eine auffällig nachvollziehbare Rolle ein. Wenn wir einen Blick in die jüngere Vergangenheit werfen, vornehmlich auf die Zeit nach 1945, taucht Kunst außerhalb der geschlossenen Wände des White Cube neben Standfiguren, Büsten und Kriegerdenkmälern meist in Form von Fassadengestaltungen auf. Analog zu medial transportierten Botschaften gilt an solchen, die Kunst als Apercu einbeziehenden, Orten nicht selten vorrangig die schlichte Devise "Farbe rein – grau raus". Damit taucht ein heute ebenso verankertes wie bezeichnendes Verständnis auf: Die Kunst als Schmuck. In den konkreten Fällen als punktuelle Dekorationsfläche in den Wiederaufbausiedlungen und in den Wohnblöcken sowie Bürozentren, die über Jahrzehnte kein anderes Ziel verfolgten als das der raschen Raumbeschaffung. Für diesen aus heutiger Sicht vollkommen unreflektiert erscheinenden ästhetischen Standard, was auf der einen Seite die Architektur selbst und auf der anderen Seite die Integration von Kunst und Architektur betrifft, lassen sich international mehr Beispiele aufzählen als einer verantwortungsvollen städtebaulichen Entwicklung und dem Stellenwert von Kunst außerhalb von Galerien und Museen lieb sein kann. Aus unserer gegenwärtigen Erfahrung wissen wir, es sind nicht nur die neuen Fassaden, Gebäude und Architekturen innerhalb des städtischen Ambientes oder an seinen immer weiter gezogenen Rändern, die uns vor Augen stehen, es ist auch und vor allem die damit konsekutiv verknüpfte Logokultur, die Wirtschaft und Staat als wesentlichen Teil der infrastrukturellen Maßnahmen setzen. Vor dieser Folie im öffentlichen oder halböffentlichen Außen- und Innenraum finden künstlerische Positionierungen oder Interventionen statt. Die ausschließlich architektonisch konfigurierte „leere“ Piazza, auf der ein öffentliches Bildwerk als staatstragendes Argument angesiedelt war, der Platz, auf dem eine neue bürgerliche Öffentlichkeit sich bildhaft in Szene setzte, markieren fernere historische Positionen. Tritt dadurch die Kunst im öffentlichen Raum als „bankrotte historische Kategorie“ (Benjamin Buchloh) an, kann sie unter den veränderten Bedingungen nur mehr an einer weiteren Möblierung dieses Raumes mitwirken? In einer notwendigen Analyse der gestalterischen Voraussetzungen und in einer Auflistung des Ist-Zustandes treten die unterschiedlichsten Erwartungshaltungen als auch methodischen Ansätze zutage. Auf der einen Seite - um die Komplexität auf Extrempositionen zu verkürzen - eine Sanierung von generell oder in einer neuen Konstellation verunglückten architektonischen Ensembles, auf der anderen ein über zeichenhafte Gestaltungen und Anordnungen eingeleiteter Dialog mit Architektur und Raum und/oder deren Funktionen. Ebenfalls auf dieser methodischen Skala begegnen wird den „drop sculptures“ (Jean-Christoph Ammann), die in der Atelierkunst, in den unterschiedlichen Kunsträumen verankert sind: Die Wände des Kubus sind aufgeklappt, die Skulptur setzt sich dem Außenraum aus. Innerhalb des Diskurses von Kunst im öffentlichen Raum stellen sich von allem Anfang an grundlegende Fragen, die sowohl mit einem neuen Blick auf die jahrhundertealte Kontextualisierung der Kunst in Verbindung stehen als auch mit der Aufsplittung eines einzigen Raumes in verschiedene Raumkompartimente. Gerade in diesem Bereich, der in Übereinstimmung steht mit den gegenwärtig praktizierten fragmentierten, aber präzisen Zugängen zu den immer komplexer ausgebildeten Systemen und Strukturen, die als Summe das nicht mehr überschaubare und daher nicht generalistisch abzuhandelnde Weltbild ausmachen, werden die möglichen Sprachebenen und veränderten Sprachformen der Kunst im öffentlichen Raum näher zu untersuchen sein.

Aber nicht nur ein umfangreicher Fragenkatalog auf der Seite künstlerischer Methodik ist zu erarbeiten: Wie weit kann und muss sich eine künstlerische Zeichensetzung vom ästhetischen Styling des Umraums unterscheiden? Follows form function (auf der Basis einer inhaltsbezogenen Komponente)? Gilt für den öffentlichen Raum ausschließlich das Primat „kontextueller“ Kunst? Ist der öffentliche Raum ein Freiraum (eine Spielwiese) für Kunst? Auch die Rezeptionsebene steht unter veränderten Vorzeichen.