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Zum Thema Ein Text von Werner Fenz
Kunst im öffentlichen Raum scheint dann eine mehr oder weniger selbstverständliche Erscheinungsform zu sein, wenn es sich dabei etwa um Brunnen handelt, die als touristische Sehenswürdigkeiten in den Reiseführer eingetragen sind. Oder um (vornehmlich auf der Typologie-Skala) historische Repräsentations- und Erinnerungsmonumente, die dem kollektiven Gedächtnis sichtbar Ausdruck verleihen. Werke die diesem Definitions- und Formencharakter – erweitert um mimetische Bilder auf Fassaden oder um figurale Skulpturen auf Plätzen und in Höfen – nicht entsprechen, werden, wie die Erfahrung zeigt, zu "Aufregern". Damit wird das Unbehagen artikuliert, "arrogant und kontraproduktiv jenseits des öffentlichen Bewusstseins zu agieren" (Lothar Romain)[1]. An diesem Punkt rückt der besondere Ort, an dem Kunst außerhalb des geschützten Bereichs der Galerien und Museen platziert wird, in den Mittelpunkt des Verhältnisses von Produktion und Rezeption. Das heißt, dass die (Aus)Wirkungen einer "Kunst für alle" zur Diskussion steht: Im Lebensraum des Menschen, in einer meist zufälligen Konfrontation mit einem fremden Objekt, das im besten Fall Irritation auf der bisherigen Erfahrungsebene hervorruft oder als unnotwendig und störend eingestuft wird.
Auf dieser Basis scheint eine Kunst im öffentlichen Raum von vornherein schlechte Karten zu besitzen, die spezifische Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte noch gar nicht eingerechnet. Diese Entwicklung gründet zunächst darauf, dass Künstlerinnen und Künstler die drastischen Veränderungen des kollektiven Lebensraumes genau analysieren unter der immer entscheidender zu stellenden Frage "Wem gehört der öffentliche Raum?", der zunehmend – nicht zuletzt seit der Einrichtung von Fußgängerzonen – möbliert und insgesamt durch die Zunahme der Logokultur besetzt wurde. Unter der täglich neu überprüfbaren Erkenntnis, dass sich Öffentlichkeit vor allem in Richtung medialer Räume ausgeweitet hat, steht folgerichtig auch die Sinnhaftigkeit des physischen Raums als Ort der Zeichensetzung zur Diskussion. Vor allem dann, wenn man Vilém Flussers scharf formulierte These "Wer zuhause bleibt, hat Zutritt zu allen kulturellen Informationen, und wer das Haus verläßt, läuft Gefahr Informationen zu versäumen"[2] mit berücksichtigt.
Zu welchen Informationen das Publikum / die Passanten "außer Haus" Zutritt haben, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob die Objekte permanent oder temporär konfiguriert sind und ob die gegenwärtigen Dimensionen des öffentlichen Raums dezidiert zur Sprache kommen. Mit anderen Worten: Sind das Zentrum, sind die Satellitenstädte, also die lange Zeit "bevorzugten Lagen" oder die immer dichter werdenden Versorgungs- und Konsumkonglomerationen an den Rändern brauchbare Freiluftareale, um vorwiegend wetterfeste Kunst aus den Galerien, aus den Ateliers schlicht und einfach auszulagern oder soll sich ein Dialog zwischen inhaltlichen und funktionellen Dimensionen, auf ästhetischer, kultureller, politischer oder sozialer Ebene, dieser repräsentativen und/oder wirtschaftlich determinierten öffentlichen Orte einstellen? Außerdem: Soll das künstlerische Objekt als dauerhaftes, mit dem Denkmal vergleichbar, sich der Gefahr aussetzen, gegen Aufmerksamkeit imprägniert zu sein, wie Robert Musil drastisch formulierte, oder in einem kurzfristigen Wechsel hier und dort auftauchen und immer von neuem als Verständigungsangebot einer Community zur Verfügung stehen und die Diskussion im Alltagsraum herausfordern?
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[1] L. Romain, Kunst zuweisen?, in: orte. Kunst für öffentliche Räume, Heft 3, Oktober 1992, S.47
[2] V..Flusser, Fotografie als Kunst im öffentlichen Raum, München 1991