Der öffentliche Raum als Kunst-Ort
Eine veränderte Sprache der Kunst
Sprachbarriere Kunst?
Das unauffällige Kunstwerk
"Öffentliche Kunst"
Anspruch auf Umsetzung
Umsetzung des Anspruchs
Ein erster Blick auf den Kunst-Ort Graz

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Gansberger | ... Beschleunigung 2003

Blättert man in der im Verhältnis zu anderen Untersuchungsfeldern eher spärlichen Literatur zu diesem Thema, taucht immer wieder von neuem der Konflikt angesichts scheinbar unüberwindbarer Sprachbarrieren auf. Einmal als grundsätzliches Glaubensbekenntnis formuliert, "dass Kunst per se subjektiv und ohne Verständigungsangebot sei" (Martin Warnke)[3] , das andere Mal als Warnung (mit dem Ausweg eines intensivierten Vermittlungsangebots) vorgetragen, jene, die den öffentlichen Raum frequentieren, nicht von der Wahrnehmung des Angebots auszuschließen. Auch wenn diese Einwände so alt wie das neuerlich angestiegene Interesse an Kunst im urbanen oder Landschaftsraum sind, zielen sie immer wieder auf einen Punkt: den der verständlichen oder unverständlichen, der übersetzbaren oder nicht übersetzbaren Sprachformen.

Wird als Ausgangspunkt der künstlerischen Methode eine möglichst genaue Definition des spezifischen öffentlichen Raumes als unverwechselbarer Ort der Zeichensetzung gewählt, steht ein mehr oder weniger kongruentes Verhalten als zentrales Beurteilungskriterium zur Disposition. Je deutlicher die Kongruenz und eine gleichzeitig in ihr angelegte ästhetische und konzeptuelle Brechung zum Erlebnisraum der Alltagsrealität ist - einer historisch tradierten oder einer in der Gegenwart erzeugten - desto schwerer wird sich der künstlerische Eingriff in die bildlich und zeichenhaft massiv vorstrukturierten Räume als ein auf der geläufigen Skala angesiedeltes Kunstwerk identifizieren lassen. Die künstlerische Handlung regt hier in ihrer zeichenhaften Ausbildung zu Referenzen mit Erlebnismustern an, denen wir Tag für Tag ausgesetzt sind. Dieses Ausgesetztsein wird uns durch die derart konfigurierten Eingriffe und Inszenierungen bewusst, weil diese die Elemente der unterschiedlichen, im Wesentlichen klar systematisierten Alltagsästhetik mit thematisieren. Das Zweckgerichtete Firmenlogo, die bildliche Konsum- und Weltaufbereitung kann vom scheinbar zweckfreien Kunstobjekt nicht mehr so klar unterschieden werden wie die abstrakte Plastik von den Reklameschildern und den anderen optischen Wegweisern durchs tägliche Leben. Das Risiko, dass Kunstwerke, die sich einer nicht eben lautstarken methodischen Referentialität bedienen, nur mehr als „Kunstzutaten das ästhetische Alltagsmenü vollenden" (Wolfgang Welsch)[4], sollte nicht nur unter dem von Adorno formulierten Werkbegriff, das Ästhetische nicht im Kunstwerk zu bannen, sondern es aus dessen Grenzen zu befreien und in den Alltag zu entlassen, eingegangen werden. Der Befund der avancierten Gegenwartskunst kann deutlich machen, dass derartige Strategien auch in Bezug auf den Kunstraum selbst angewendet werden. Eine solche Feststellung berücksichtigt die notwendigen unterschiedlichen Differenzierungsqualitäten ebenso wie den für die Sprachformen ausschlaggebenden Raumtransfer. Das heißt, dass beispielsweise der Ausformung sozialer Konstruktionen von Kunst im öffentlichen Raum andere, weil direktere, Argumentationsflächen zur Verfügung stehen. Dieses direkte Gegenüber eines hyperästhetisierten Raums wurde auch als Notwendigkeit des "Widerstandes gegen die grassierende Ästhetisierung des öffentlichen Raums", als "Kategorie der Fremdheit, Störung, Unterbrechung und Andersheit" (Wolfgang Welsch), die sich nur so davor schützen könne, absorbiert zu werden, beschrieben. Die Praxis der Kunst im öffentlichen Raum zeigt allerdings deutlich, dass eine Art Sprach-Labor ebenso wie prononciertes kongruentes Verhalten in erster Linie im Bereich temporärer Veranstaltungen einzurichten und einzulösen ist. Einige dieser Projekte, die nicht nach dem Muster von Skulpturenparks eingerichtet worden waren, markierten wesentliche Positionen. Unter dem "Schutz" der begrenzten Zeit schienen sowohl KünstlerInnen als auch Veranstalter konsequenter im methodischen Zugang zu sein.



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[3] Martin Warnke, zit. nach M. Schneckenburger, Aushäusig. Kunst für öffentliche Räume,Lindinger+Schmid: Regensburg 1994, S. 13
[4] W. Welsch, Thesen zur Kunst im öffentlichen Raum heute, in: orte, op.cit., Heft 1, April 1992, S.12,13.