Der öffentliche Raum als Kunst-Ort
Eine veränderte Sprache der Kunst
Sprachbarriere Kunst?
Das unauffällige Kunstwerk
"Öffentliche Kunst"
Anspruch auf Umsetzung
Umsetzung des Anspruchs
Ein erster Blick auf den Kunst-Ort Graz

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Hörtner o.T. 1995

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Erjautz | ... Korsage/Patchwork 1994

Innerhalb des komplexen Themas Kunst im öffentlichen Raum kommt den Auftraggebern, also nicht nur dem Kurator oder der Projektverantwortlichen, eine wesentliche Rolle zu. Hängt doch von ihrem Zugang, von ihrer Bereitschaft die grundsätzliche Positionierung im Wechselspiel von Aufgabenstellung und letztendlicher Realisierung ab. Da dem öffentlichen Raum längst nicht mehr staatstragende Bedeutung zukommt, er aber dennoch das Spiegelbild gesellschaftlicher Funktionen darstellt, müssen diese Funktionen als Summe unterschiedlicher Größen in Erscheinung treten. Innerhalb der zahlreichen Möglichkeiten, Kunstwerke vor allem im urbanen Raum zu situieren, stellen die für öffentliche Bauten gesetzlich verankerten (Kunst am/und Bau) in den meisten Ländern die wichtigste Facette dar. Mehr und mehr aber treten halböffentliche und private Gesellschaften und Firmen als Geldgeber für Kunst im Außen- oder Innenraum auf. So unterschiedlich wie ihre Struktur sind die Beweggründe und Anforderungen. Schon die einfachsten Schritte, die sie in diese Richtung gesetzt werden, der Bilderankauf als künstlerische „Raumausstattung“, sind von unterschiedlichen Motiven geleitet: Von der Dekoration des Firmensitzes, der Begegnung des Horror vacui der endlos langen Gänge über eine freiwillige Künstlerförderung bis hin zum kulturellen Repräsentationsanspruch mittels bildender Kunst. Die Firmen-„Philosophie“, so sagt man, ziele darauf ab, eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft auch außerhalb des geschäftlichen Bereichs zu übernehmen oder: mit Hilfe der Kunst das kreative Potential der Mitarbeiter zu wecken und zu schulen. „Mit der Einbeziehung der Kunst will das Europäische Patentamt Anregung geben, wie sich Kunst am Arbeitsplatz verstehen, tolerieren, achten lässt. Ziel und Zweck ist es, die breiten kulturellen Zeitströmungen in den Arbeitsalltag einzubinden, die tägliche Umgebung abwechslungsreich zu erleben, dem Geist Stoff zu durchaus kontroversiellen Auseinandersetzungen zu bieten“[7]. Oder: „...Die Integration von Kunst in den Arbeitsalltag. Das bedeutet zum einen eine Einladung an die Künstler, die Siemens-Umgebung als Experimentierfeld zu nutzen, ihre Eindrücke hier künstlerisch umzusetzen und ihre Kunst in unsere Umgebung, in unsere Architektur zu integrieren. Es können Kunstwerke entstehen, die so vielleicht nur in der Siemens-Welt verwirklicht werden können"[8]. Die Steigerung der Kreativität am Arbeitsplatz nimmt als Legitimationsanspruch für Kunst im Firmenareal eine vorrangige Stellung ein. Damit zeigt sich auf der einen Seite, dass der Kunst „Nutzen“, wenn auch in sehr allgemeiner Form, zugesprochen wird, auf der anderen Seite wird die Quantität von Öffentlichkeit argumentativ reduziert und komprimiert - auf die Belegschaft des Hauses. Durch die Publikation dieser Intentionen steht der Besucher des Firmenkomplexes einander überlagernden Konstellationen gegenüber: den Kunstwerken selbst sowie der Frage nach ihrem Wirkungsradius im Arbeitsmilieu. Er beobachtet nicht nur seine eigenen, sondern auch die Rezeptionsmuster der anderen, für die diese Kunst - manchmal auch innerhalb desolater arbeitsräumlicher Bedingungen - eigentlich gedacht ist. Dieser Schritt in die Halböffentlichkeit ist letztlich auch einer in die private Sphäre der Arbeitspsychologie am Beispiel eines ganz bestimmten gesellschaftlichen Segments. Auf die Öffentlichkeit setzt insofern ein Rückstoß ein, als die Kenntnis dieser Kunst-Politik die Charakteristik eines spezifischen Ortes zu bezeichnen und zu beschreiben imstande ist. Der Umgang mit Kunst erklärt sich nicht aus kulturellen Repräsentationsansprüchen, sondern aus dem nutzbaren Potential, das Kunst in sich trägt. Den Förderungsmaßnahmen für Künstler und dem kulturell-gesellschaftlichen Stellenwert der Kunst als höherwertiges geistiges Potential im Arbeitsalltag gesellt sich freilich auch jenes Maß an Imagepolitur hinzu, das mit Kunst immer noch erreichbar ist. Es ist ein Charakteristikum kapitalistischer Systeme, dass die Kunst als Nobilitierung wirtschaftlicher Interessen und Notwendigkeiten einsetzbar ist. Die Kunstsammlung, die inhaltlich-räumliche Zeichensetzung oder die Inszenierung einer Erlebnislandschaft machen dabei immer noch einen Unterschied aus.



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[7] Auszug aus dem Katalog „Kunst im Europäischen Patentamt München“, München 1993.
[8] Michael Tacke in der Broschüre „büro orange - hauptnutzfläche“, München 1996. Büro Orange ist das Forum für aktuelle Kunst in der Zweigniederlassung München der Siemens AG.